Der schmale Pfad wand sich im Zickzack den Abhang hinauf. Hier und da standen einige Tannen, aber je höher Thomas stieg, desto karger wurde die Vegetation. Felsbänder zogen sich durch den Hang. Die braungrünen Wiesen waren voller Buckel und Mulden, in manchen der Senken wuchs Wollgras auf dem sumpfigen Boden, in anderen hatten sich Tümpel gebildet, in deren Wasser Bündel von meterlangen schmalen Blättern schwebten wie Haarsträhnen von Ertrunkenen. Der Himmel hatte sich bewölkt, im diffusen Licht wirkte der Karst fast weiß, das Wasser der Tümpel schwarz und tiefgründig.

Weit über das Land (Peter Stamm)

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Julian war nicht mehr da. Ich schrie seinen Namen, ich warf mich gegen die Menge; das Licht dieses Tages schien zu erlöschen, alles Licht überhaupt, als hätte ich getötet und wäre zum Tode verurteilt. Meine Stimme überschlug sich, ich rief jetzt um Hilfe, und deutsche Urlauber eilten herbei. Ich sah in rote Gesichter, ich hörte beruhigende Worte, ja unterschied sogar Dialekte. Dann stürzte ich mich erneut in den Strom, der mir Julian genommen hatte. Die immer noch vorwärtsdrängenden Menschen, taub gegenüber meinem Schreien und Rufen, rissen mich vorwärts. Weiter und weiter schienen sich mich zu entfernen von Julian, schon stellte ich mir mein Leben ohne ihn vor [...]. 'Gib ihn mir zurück', rief ich einem Gott, der mir sonst gleichgültig war, zu, bereit, dafür jeden Schmerz auszuhalten. Nach Atem ringend, blieb ich schließlich im Bazar der Fleischer stehen, sekundenlang abgelenkt von dem Aufruhr in mir. Ich sah Klumpen von Fliegen auf Innereien, ich sah Ziegenköpfe auf altem Zeitungspapier. Ich sah die Fliegen, wie sie mir entgegenschwirrten, und spürte sie auf meiner nassen Haut; ich rannte, um mich schlagend, weiter. 

Der Sandmann (Bodo Kirchhoff)